Das benutzerfreundliche CMS ist ein Mythos


Das neue CMS ist eingeführt, alle können editieren, denn dadurch wird die Time to Market reduziert. Die Assistentin mit grundlegenden Office Kenntnissen und einem CMS Crashkurs kann problemlos den Inhalt pflegen, neue Seiten anlegen, auch die komplexen Strukturen unterhalten und wunderschöne multimediale Seiten erstellen. Das auf jeden Fall ist die Marketing Botschaft.

Ein paar Beispiele gefällig:

Marketing teams need autonomy to roll out their campaigns. Magnolia 5 is fast and intuitive, so marketing can grab the wheel and move fast.

Oder

Contrexx entstand aus der Überzeugung, dass eine Website Management Software einfach zu bedienen und multifunktional sein soll.

Oder

Mit Sitecore zu arbeiten ist denkbar einfach. Die inuitive Nutzeroberfläche wird unisono von Marketing, Redakteuren und Entwicklern gelobt.

Und wie sieht die Realität aus? Düster. Ich habe eigentlich noch nie ein CMS gesehen, welches wirklich «intuitiv» bedienbar ist (auch WordPress wird nicht mehr intuitiv, sobald Strukturen komplexer werden, und es über den normalen Blogpost hinausgeht).

Content Management ist ein komplexes Thema und der normale Marketing Manager ist kein Webentwickler, hat keine Ahnung von HTML und CSS geschweige denn Javascript und weiss z.T. nicht einmal wie man ein Bild verkleinert. Wie in alles in der Welt, sollen diese Leute mit komplexen Strukturen, Tabellen, CSS Klassen, Bilder und anderen multimedialen Inhalten in einem CMS zurecht kommen?

Genau: Sie tun es nicht, denn es fehlt das grundlegende Verständnis: Text in einem Layer über dem Bild, lässt sich spielend leicht mit Word erstellen, funktioniert aber im Web nicht so einfach, eine falsch platzierte Tabelle zerreisst unter Umständen das komplette mobile Layout und den Inhalt «pixelgenau» mittels Screenshot einzufügen, stellt ernsthafte Usability- und SEO Probleme dar.

Es soll aussehen wie auf dem Flyer. Was dabei herauskommt sind verpixelte bzw. megabytegrosse Bilder, kuriose WYSIWYG Tabellenkonstrukte und sonstige Hacks.

Also wieder zurück zu Frontpage und statischen Seiten?

Ein CMS ist ein mächtiges Tool und gehört daher in die Hände mächtiger Leute (solche die wissen, was sie tun), daher: Nein, ein CMS hat durchaus seine Berechtigung, lediglich die Claims sind irreführend. Paul Boag schlägt vor, dedizierte, einfach Benutzerintefaces für kleine, regelmässig wiederkehrende und genau definierteTasks zu bauen, welche von der Assistentin nach einer 15 Minuten Einführung verwendet werden können und wo kein seitenschweres Manual notwendig ist.

Und die Kosten dafür? Auf der einen Seite die eigentlichen Zeitaufwände, welche durch gesteigerte Effizienz gedeckt sind, auf der anderen Seite glücklichere und damit produktivere Mitarbeiter. Nieman verbratet gerne Stunden damit ein Bild in der richtigen Grösse rechtsbündig auszurichten.

The cost of CMS training and the hours wasted struggling with the CMS would cover the price of designing a tailored interface. [Paul Boag]

Vor allem sollten wir aufhören, dem Business vorzuschwärmen, wie einfach und genial ein neues CMS ist, denn aus einer Business-sicht ist das schlicht falsch. Das System, welches mächtig ist und dennoch vom Laien und Profi spielend leicht zu bedienen ist, dazu noch gut ausschaut und auch noch Mehrsprachen- und Mandantenfähig ist gibts nicht.

… zum Glück, denn sonst wäre meine Gattung arbeitslos 😉