Die Webseite von SuperFast CMS verspricht in bunten Slogans, dass das neue UltraFast CMS spielend leicht zu bedienen ist und dadurch jede Abteilung ihren Teil der Webseite autonom bauen und pflegen kann. Auf dieses System warte ich noch sehnsüchtig. Vielleicht noch eine ganze Weile. Ist es überhaupt weise, dass jeder Marketing Manager die Firmenwebseite bearbeiten kann, um den Inhalt für seine Abteilung zu pflegen, um sein Produkt zu aktualisieren?
Anarchie am Institut für Informatik (IFI)
Während meiner Studienzeit an der Uni Zürich in den Jahren 2004-2009 durfte ich das erste Mal Miss TYPO3 antrefen. Ein System mit vielen Gesichtern im Frontend und einer scheusslichen Fratze im Backend. Als Hilfswissenschaftler, durfte ich mal reinschnüffeln. Ich war alles andere als begeistert; abgestreckt würde es eher treffen. Doch es bot Flexibilität, denn jede Forschungsgruppe hatte ihren eigenen Bereich.
Der damalige Auftritt des IFIs (Institut für Informatik) war der Inbegriff von Anarchie. Es gab so etwas wie eine Corporate Seite, wo die Verwaltung ihr Gärtli pflegte und dann ein Universum an kleinen Gruppenseiten: Jeder Professor hatte sein eigenes kleines Reich im Internet. Als Professor wahrscheinlich schön, weil er tun und lassen kann, was er will in seinem Online Reich, als Student doch eher mühsam, da man nie sicher war, ob man auch auf der richtigen Seite ist und als angehender Student der blanke Wahnsinn, da die Übersicht und Orientierung komplett fehlte. Zum guten Glück sind das Stimmen aus der Vergangenheit.
Das Institut für Informatik: Sammelseite für alle Gruppen. Nicht besonders hübsch, aber hat auch bereits eine paar Jährchen auf dem Buckel. Design komplett verschieden von der Uni Zürich Seite. Immerhin das Uni Zürich Logo ist zu finden.
Die Gruppe «Artificial Intelligence». Die Verbindung zur Uni Zürich ist minimalst ersichtlich (oben links), dass die Gruppe im IFI eingebettet ist braucht schon eingehende Untersuchung der Webseite.
Und jetzt noch die Gruppe «Information Management». Hier wird oben links eine kleine Verbindung zum IFI hergestellt, dass es sich jedoch um die Uni Zürich handelt wird verschwiegen, bzw. kaum leserlich in der Fusszeile erwähnt.
Wo lag das Problem?
Es fehlte die zentrale Person/Instanz, welche verantwortlich für die Webseite war. Jeder Professor war für seine Gruppe zuständig und hat gemacht was er für gut, effizient und schön hielt (und die Geschmäcker sind sehr verschieden). Es wurde lokal optimiert ohne dabei das Gesamtkonstrukt zu berücksichtigen.
Die Webseite war ein Abbild der internen Machtstrukturen, ohne Berücksichtigung der Endkunden, das heisst: Wer Geld und Macht hat, baut eine Webseite. Ergebnis: Eine loser Verbund an einzelnen Seiten.
Ein loser Verbund hat Vorteile
Eine solche dezentrale, lose gekoppelte Organisation hat ein paar gewichtige Vorteile:
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Führung und Management der Seite sind einfach, da lediglich wenig Stakeholder betroffen sind und daher auch wenig Requirements vorhanden sind. Es gibt eine zentrale Person (der Professor), welcher die ultimative Entscheidungsgewalt hat. Ein Konsens ist nicht nötig und wenn dann innerhalb einer sehr homogenen Gruppe.
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Flexibilität und Geschwindigkeit. Veränderungen können in kürze umgesetzt werden, sowohl punkto Funktionalität als auch Inhalt. Es ist sogar wahrscheinlich, dass jeder Assistent einen Zugriff aus System hat, um seinen Inhalt aktuell zu halten. Langwierige «Steering Committe» Meetings wird es daher kaum geben.
Doch das hat auch einen Haken
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Mangelnde Identität. Für den Kunden zählt im Normalfall das Gesamtbild. Die Organisation des Inhalts als Gesamtes muss schlüssig und logisch sein, damit der Besucher schnell lernt und die nötigen Informationen schnell findet. Eine Selbstorganisation zu einem einheitlichen Ganzen ist eine Illusion und nur im Lehrbuch möglich. Zu stark und fragmentiert sind persönliche Interessen, das führt zu einem chaotischen Webauftritt mit unterschiedlichen Designs, Inhaltsstrukturen und Systemen.
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Mangelnde Inhaltsstrategie*. Inhalt und Struktur wird an die eigenen Bedürfnisse und Anforderungen angepasst: Es wird lokal optimiert ohne dabei die Gesamtstrategie zu berücksichtigen. Aus Besuchersicht ist dies eine schlechte Lösung, falls Dienstleistungen und Informationen von verschiedenen Teilen der Organisation bezogen werden müssen.
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Fehlende Synergien. IT Systeme und Dienstleistungen sind teuer. Im schlimmsten Fall werden in einem dezentralen Ansatz mehrere Server, mehrere Lizenzen und mehrere Dienstleister für Support bezahlt. Die Geldverschwendung pur.
Und wie gehts besser
Gut ist nicht immer gut und schlecht nicht immer schlecht. Es kommt drauf auf. So kann ein dezentraler Ansatz durchaus Sinn machen. Es stellt sich nur die Frage wann?
An der Uni Zürich haben sie unterdessen eine bessere Lösung gefunden. Sicher ist es nicht ein technisches Problem, sondern in den allermeisten Fällen ein organisatorisches.
Wann ist eher Diktatur gefragt, wann eher Anarchie? Bis dahin: Was sind deine Erfahrungen mit Content Management im grossen Stil?