Im Artikel Is Strategy Dead auf Scrum.org stellt Edwin Dando die ein bisschen ketzerische Frage «Does a truly agile business need strategy?»
Agile – Was ist das
Zu Beginn mal ein paar verschiedene Definitionen zu Agile oder zu Deutsch Agilität.
Das Manifest für agile Softwareentwicklung sagt folgendes:
Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge.
Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation.
Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung.
Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans.
Und nein, Agile Entwicklung ist nicht nur für die Softwareentwicklung gut sondern lässt sich gut auch auf nicht digitale Projekte übertragen. Müsste ich agile in meine eigenen Worte fassen, würde ich es wie folgt ausdrücken:
Agile stellt die Kommunikation zwischen Individuen über komplexe Prozesse, um möglichst schnell ein funktionierendes Produkt, welches den Wünschen des Kunden entspricht, zu erstellen. Um das zu erreichen, werden Veränderung regelmässig überprüft und entsprechend darauf reagiert.
Eine andere Definition von Christopher und Towill beschreibt Agile im Business Kontext wie folgt:
Agility is a business-wide capability that embraces organisational structures, information systems, logistics processes and in particular, mindsets. A key characteristic of an agile organisation is flexibility. In that respect, the origins of agility as a business concept lie partially in flexible manufacturing systems (FMS).
Und noch eine Definition von Rudowicz:
Agilität drückt vielmehr die Eigenschaft erfolgreicher Unternehmen aus, immer wieder schneller als der Mitbewerb Markt und Kunden erobern zu können. So verstanden stellen Agilität und Nachhaltigkeit (Agility and Sustainability) für Unternehmen ein elementares sich bedingendes Wertepaar dar.
Agilität hat also etwas mit Dynamik und Geschwindigkeit zu tun. Oder anders gesagt, die Flexibilität sich schnell an ein wechselndes Umfeld anzupassen. Damit wäre ein Begriff schon mal geklärt.
Mit Agilität wird beschrieben, wie etwas gemacht wird, wobei es tiefgreifenden Einfluss in die Kultur und die Philosophie eines Unternehmens hat.
Strategie – Was ist das
Laut Duden ist Strategie wie folgt definiert:
genauer Plan des Vorgehens, um ein militär., polit. oder ähnl. Ziel zu erreichen.
Hagen Habicht von der TU München definiert Strategie folgt:
Strategie ist ein Aktionsplan, der sich mit gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklungen im Umfeld eines Unternehmens befasst und Entscheidungen über finanzielle und menschliche Ressourcen darstellt, um Leistung zu steigern und langfristige Ziele zu erreichen.
Eine Strategie beinhaltet unter anderem die folgenden Punkte:
- Eine Vision
- Für die IT Strategie: ein Alignment mit dem Business
- Ziele mit entsprechenden Massnahmen
- Eine Roadmap
- KPIs, um Kurs zu messen
- Strategisches Projekt Portfolio
Daher sollte eine Strategie Antworten auf die folgenden Fragen geben:
- Wo stehe ich?
- Wohin will ich?
- Wie komme ich dahin?
- Woran messe ich die Zielerreichung?
- Wann messe ich sie?
Interessant jedoch, dass laut Kaplan & Norton (2000)
- Lediglich 25% der Manager haben ihren Bonus an strategischen Zielen angeknüpft.
- Nur 5% der Mitarbeiter verstehen die Firmenstrategie.
- 60% der Organisationen keine Verbindung zwischen Strategie und Budget haben.
- Weniger als 10% von formulierten Strategien werden erfolgreich umgesetzt.
(Was jedoch nicht heisst, dass keine Strategie vorhanden ist)
Braucht eine agile Firma jetzt eine Strategie? (Grund 1)
Erst recht! Einfach ausgedrückt: Agile ist eine Strategie. Wie sich in den vergangenen Jahren gezeigt hat eine sehr erfolgreiche Strategie für Startups in der Software Industrie. Nehmen wir das Beispiel Startup:
Die Vision: SnipChat wird die Nummer 1 Fotosharing App.
Aktuelle Situation: 3 Leute, 1 Server, erster Prototyp.
Woran messe ich die Zielerreichung: Most downloaded App in iTunes für 1 Monat
Wann messe ich: Täglich mit einem kleinen Script
Wie komme ich dahin: Scrum, alle 3 Wochen eine neue Version.
Die erste Strategie ist geboren. Nein sie ist wenig umfassend, aber es ist eine Strategie und Agile (Scrum) ist das Mittel dazu. Lediglich ein bisschen zu «Scrummen» würde nichts bringen (ausser vielleicht freue am Bauen, was vielleicht mit Glück zum Erfolg führt).
Das Beispiel geht weiter. Nach 3 Monaten merken wir dank Scrum, dass wir am Ziel vorbeischiessen. Da ist ein anderes Unternehmen namens «Snapchat» aufgekommen und hat uns den Mark weggeschnappt: Strategie anpassen, was bedeuten kann eine neue Vision zu finden, weiterzukämpfen, mehr in Marketing zu investieren usw.
Als Startup ist es wahrscheinlich mögilche lediglich eine implizite Strategie zu haben. Das Team ist klein, es herrscht viel Kommunikation und persönliches Engagement, also fügen sich alle natürlich in die Strategie. Doch sie ist da.
Der agile Konzern ohne Strategie? (Grund 2)
Das möchte ich sehen. Wahrscheinlicher ist es wahrscheinlicher einen Konzern ohne Strategie zu sehen als einen agilen Konzern 😉 Im ernst, jede Firma besteht aus Menschen mit eigenen Interessen, welche sich nicht immer mit den Interessen einer Firma decken. Die Strategie sollte ein Mittel sein, um alle Anstrengungen aufs gleiche Ziel zu richten. Zu hoffen, dass sicher alle die gleichen Ziele und Visionen haben und dann auch noch die gleichen Ideen haben, wie diese zu erreichen sind, sind reine Illusion (und dann gehen wir immer noch davon aus, dass auch alle «wohlgesinnte Ideen» haben).
Die interessantere Frage ist: «Wie sieht ein Agiler Strategie Prozess aus?» Ideen? Vorschläge? Meinungen?