Aufwandschätzungen sind doch kein Zufall


Letzte Woche hat mich ein Arbeitskollege gefragt, ob ich kurz ein kleines Teilprojekt schätzen könnte. Hintergrund: Der Kunde wollte ein paar funktionale Erweiterungen für die bestehende Webseite. Mein Arbeitskollege hatte bereits eine Aufwandschätzung gemacht, welche jedoch aus Kundensicht viel zu hoch schien. Also bat er mich, auch einen Blick darauf zu werfen.

Ich kannte das Projekt ein wenig aus der Entwicklungsphase, da ich dort in einigen konzeptionellen Fragen involviert war. Ich hatte jedoch absolut keine Ahnung von den neuen Kundenwünsche und schon gar nicht, was mein Arbeitskollege geschätzt hat.

So machte ich mich an die Arbeit, ich hatte eine Liste mit ca. 10 Punkten aus der Offerte. Ich ging die Liste Punkt für Punkt durch und mir die folgenden Fragen:

  • Wie lässt sich der Punkt umsetzen?
  • Sind externe System mit involviert?
  • Ist Entwicklung notwendig oder lässt sich alles mit bestehenden Modulen umsetzen?
  • Gibt es Risiken bzw. Dinge, welche unklar sind?

Je nach dem, wie die Antwort auf die Frage war, wurde der Aufwand ein wenig höher, bzw. ein wenig tiefer. 10x wiederholte ich das Spiel.

Resultat: ca. 20 Personentage Aufwand. Ehrlich gesagt, ich war nervös bzw. aufgeregt, als ich ins Büro nebenan ging. Wieviel würde er wohl geschätzt haben?!

Auch er hat die Punkte, welche offeriert wurden, einzeln geschätzt. So konnten wir diese Schrittweise durchgehen. Erstaunlich: In den ersten 4 Punkten 100% Übereinstimmung. Es gab 2-3 Punkte, wo es eine ganze kleine Abweichung gab, aber alles in allem doch ein extrem grosse Übereinstimmung.

Fazit: Aufwandschätzungen sind also doch nicht nur Zufall! Besonders das Aufteilen in kleinere Teilaufgaben war extrem hilfreich. Wenn man dann noch ein bisschen was fürs Projektmanagement hinzufügt, sowie eine gesunde Reserve ist man sicher auf der richtigen Spur.

Problem ist dann halt meistens nur, dass das Marketing den Preis drückt, um Konkurrenzfähig zu bleiben… danach fragt man sich, warum es mit dem Budget nicht aufgegangen ist… aber das ist dann nicht mehr ein Entwicklerproblem.

Besonders für Drupalprojekte habe ich die Erfahrung gemacht, dass es einige Punkte gibt, welche den Aufwand fast ausnahmslos steigen lassen:

  • Migration von bestehendem Inhalt. Wird immer unterschätzt, da von einer idealisierten Umwelt ausgegangen wird. In der Realität sind oftmals die Daten schlecht, müssen noch umgewandelt werden usw.
  • Jegliche Interaktion mit unbekannten Drittsystemen. Auch wenn es noch so trivial ausschauen mag… irgend eine Tücke ist noch drin.
  • Mehrsprachigkeit. In Drupal grundsätzlich kein Problem, aber im Detail, gibt es immer wieder ein Modul, welches (noch) nicht mehrsprachig ist oder irgendwo Zeichenketten, welche sich nicht übersetzen lassen.

Dies sind besonders in der Medienbranche immer wieder auftauchende Anforderungen und oftmals auch immer wieder Risikotreiber.