Warum braucht McKinsey eine App?


Feedly zeigt mir “Learning from Google’s digital culture” an. Klingt spannend. Will ich lesen. Erster Frust: Feedly zeigt lediglich einen Teaser an. Glück für McKinsey, dass mich dieser Beitrag sehr interessiert (Teaser habe ich nicht beachtet) klicke ich den entsprechend Link, um den Beitrag im Browser zu lesen. Ich werde von einem Banner für die App begrüsst. Nein, um einen Beitrag zu lesen will ich nicht die App installieren. Also weiter zur Seite.

Was? Das Budget für die Webseite reicht nicht aus für ein klein wenig responsive Redesign? Oder ist das Budget in der App verpufft, und wird jetzt auf Kosten der Webseite promotet nur weil es irgendwo in den Jahreszielen drin steht? Sehr Schade. Ich fliege in 10 Sekunden durch den Artikel und bin dann weg.

McKinsey die grosse Consulting Firma. Vertreten in 52 Länder durch 17’000 Mitarbeiter mit einem Umsatz von 6 Mrd. Dollar schafft es auch im Jahr 2015 nicht eine für Smartphones optimierte Seite zu bauen und versucht stattdessen mir eine App anzudrehen.

McKinsey Webseite auf dem iPhone

Ein Einzelfall?

Nein. Leider nicht. Schauen wir doch mal die Forbes Top 10 Schweizer Firmen an. Bis auf die Swiss RE haben sie alle mobile Webseiten. Immerhin. Doch bereits auf den folgenden Plätzen sieht die Welt weniger rosig aus und es gibt fast nur noch oldschool Seiten. Schande.

Company Is mobile ready
Nestle Ja
Novartis Ja
UBS Ja
Zürich Ja
Roche Ja
Glencore Ja
Credit Suisse Ja
Swiss RE Nein
ABB Ja
ACE Ja
Holcim Ja
Richemont Nein
Syngenta Nein
TE Nein
Swisscom Ja
Swisslife Nein
Swatch Nein
Adecco Nein
Tyco Ja
Baloise Ja

Forbes top 20 Swiss companies

Im Internationalen Vergleich sieht es übrigens identisch aus. Lediglich die Verteilung ist ein bisschen anders: Ledlich 65% der Forbes Top 20 grössten Firmen besitzen eine Mobile-Friendly Webseite, und hier sprechen wir von Firmen mit 100 Mrd + Dollar Umsatz. Das sind 100’000’000’000 Dollar.

Company Is mobile ready
ICBC Nein
China Construction Bank Nein
Agricultural Bank of China Nein
Bank of China Nein
Berkshire Hathaway Nein
JPMorgan Chase Ja
Exxon Mobil Ja
PetroChina Nein
General Electic Ja
Wells Fargo Ja
Toyota Ja
Apple Ja
Shell Ja
Volkswagen Nein
HSBC Ja
Chevron Ja
Walmart Ja
Samsung Ja
Citigroup Ja
China Mobile Ja

Forbes global top 20 Companies

Interessanterweise scheint es hier vor allem eine geographische Segmentation zu sein. Die Top 4 sind alles chinesische Firmen und haben alle keine mobile Webseite.

Langsam sollten wir es wissen

Der Begriff “Responsive Webdesign” feiert dieses Jahr seinen fünften Geburtstag. Langsam aber sicher sollte es überall angekommen sein. Der Apple Appstore ist seit 2008 online: Der Hype sollte langsam aber sicher verflogen sein und nein, eine App ist nicht immer die beste und wirtschaftlichste Lösung.

Jeder Web Entwickler/Designer, unter dem Begriff Responsive Web nur Bahnhof versteht, sollte sich schleunigst weiterbilden. Jede Agentur, welche noch keine Responsive Websites im Portfolio hat, sollte mal ernsthafte Ursachenforschung betreiben.

Muss jede Seite gut auf einem Smartphone aussehen? Wahrscheinlich nicht. Sollte jede Seite gut auf dem Smartphone aussehen? Wahrscheinlich schon, wenn man den aktuellen Zahlen bezüglich dem mobilen Surfverhalten Glauben schenkt.

Ist eine App kategorisch schlecht? Nein. Natürlich nicht. Es gibt super Beispiele für gute und nützliche Apps, welche nicht oder nur schlecht mittels Web Technologien realisierbar sind.

Ich würde gar behaupten, dass viele Laien den Unterschied zwischen einer Webapp und einer “richtigen” App gar nicht bemerken würden… vorausgesetzt es gibt ein Icon auf dem Homescreen, um die “App” zu starten.

Muss jede Webseite eine Webapp sein? Nein. Sicher nicht. Es gibt genügend Seiten, welche lediglich Broschürencharakter haben und daher keine Funktionen im Sinne einer Webapp bieten müssen.

Mobile Traffic macht immerhin 30% aus!

Wo also liegt das Problem

Erstaunlich eigentlich, dass das immer noch ein Problem darstellt. ein Problem welches eigentlich keines mehr sein müsste/dürfte. Dennoch 35% der grössten Firmen haben es noch nicht kapiert und haben keine mobile Webseite.

Für einmal liegt das Problem definitiv nicht an der Technik. Technisch gesehen ist das heute ein Standardeingriff. Vielmehr ist mangelnde interne Aufmerksamkeit aufgrund fehlender Business Objectives das Problem. Die Entscheidungsträger verstehen die Wichtigkeit und den Wert einer Webseite nicht. Folge daraus: das Web ist nicht genügend in die wertschöpfenden Prozesse integriert.

Insofern wird es zu einer selbsterfüllenden Prophezeieung: Keine Investionen, kein Ertrag. Relativ simpel. Die Webseite bleibt das Inhaltsgrab anstatt eine aktive Rolle zu spielen.

Die Webseite wird als Recycling Maschine für die zahlreichen Broschüren und Hochglanz Magazine beachtet, welche aufwändig für irgend einen Kongress produziert wurden. Das Web ist der Kanal, wo der bestehende Inhalt günstig deponiert werden kann, um das Gewissen zu beruhigen und die Jahresziele zu erfüllen.

Nehmen wir mal das Beispiel “Kongress”. Da werden z.T. Millionen in Stände, Zulassungsgebühren und Sponsorings investiert. Es wird monatelang über jedes kleinste Detail diskutiert und gestritten. Ein paar Tage und ein paar tausend, zehntausend oder hunderttausend Besucher später ist alles vorbei und wird irgendwo in einem Lagerhaus verstaut.

Der Kongress ist das Schaufenster, klaro. Aber die Webseite etwa nicht? Sie ist 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr (hoffentlich) geöffnet. Die ganze Welt (und nicht nur ein auserwählte Elite) ist potentieller Besucher, warum also sollte die Webseite weniger Aufmerksamkeit verdienen?

Eine nicht responsive Webseite ist das Gleiche wie ein Kongress, wo nur jede dritte Besucher den Stand betrachten kann.

Ich bin gespannt, wie erfolgreich der Kongress wird… ach halt, wie wird der Erfolg eines Kongresses sowieso gemessen? Doch das ist eine ganz andere Geschichte.

Kooperationsabkommen GIZ und EANRW am 13.11.2013, Messe Essen
Die typischen Messestände. In diesem Fall wäre ein bisschen mehr «Standdesign» auf der Webseite nicht schaden ;). Bild von energieagentur nrw

Wie war das nochmals mit dem ROI?

Fehlt eigentlich noch die berühmte ROI (Return on Invest) Diskussion. X-Mal gehört: “Der Business Objective dieser Seite ist Awareness. Das können wir nicht messen.” Wenn es lediglich um Awareness geht, dann sollte am Besten ein blutiges, gewalttätiges oder sexistisches Bild auf die Startseite. Stattdessen steht auf der Startseite langweiliges Gefasel, “we are the best…”, “we are in business since 1875…” usw.

Vielleicht ist es langsam an der Zeit, Die Webseite in den Mittelpunkt zu rücken und das Business Modell entsprechend anzupassen. Sollen Leads mit der Webseite generiert werden? Sollen die Kosten reduziert werden, indem anstatt gedruck digital publiziert wird? Soll der Kundenservice verbessert werden?

Einfach gesagt und edle Objectives, aber es steckt vieeeel Arbeit dahinter! Doch dann kann auch effektiv gemessen werden inwiefern es funktioniert bzw. nicht und der willige Marketing Manager muss sich nicht mehr hinter “warme-Luft-Aussagen” verkriechen.

Noch ein Grund mehr – Google Mobilegeddon

Immer noch nicht überzeugt? Dann sollte eigentlich spätestens Mobilegeddon überzeugen.

Spätestens seit dem “Mobilegeddon” Update von Google (sprich Mobile friendly Webseiten werden im Ranking bevorzugt), sollte sich jeder Betreiber ernsthafte Gedanken darüber machen; oder wer möchte nicht auf Seite 1 von Google landen?

Aber halt, das ist nur dann wichtig, wenn die Webseite einen effektiven Platz in der Wertschöpfungskette einnimmt. Ansonsten reicht es vollkommen aus, wenn zwischendurch der Google Bot oder Mr. Bing die einzigen regelmässigen Besucher sind.

Responsive hat höhere Prio als eine App

Liebe McKinsey. Ich verlange keine 3’000 $ Honorar für meine Consulting Tätigkeiten und versteuern werde ich den Gewinn aus den nicht Vorhanden Google Adsense einnahmen auch nicht.

Aber anstatt das Budget in unnötige Apps zu stecken und die Mobilen User mit einem nervigen Popup zu verscheuchen, würde ich mir an eurer Stelle lieber überlegen, die Seite responsive zu machen, die App aus dem App Store zu löschen und das Popup zu entfernen.

Falls das Problem ist, dass euer Chef ein App Zeichen auf dem Desktop haben will, dann zeigt im Popup eine kleine Anleitung, wie man eine Webseite auf dem Homescreen platzieren kann.

Und die Ausrede, dass ihr im B2B Bereicht tätig seid zählt nicht. Mittlerweile hat jeder Manager ein iPhone und gerade die werden sicher mehrheitlich mit dem Telefon unterwegs sein. Oder soll die App demonstrieren, dass ihr Apps kennt?