Jedes medizinische Produkt wird vor der Markteinführung von der entsprechenden Zertifizierungsstelle geprüft (in Europa ist das die CE Markierung). Dafür muss der Hersteller unter anderem den Anwendungszweck (engl. intended use) sowie die Vorteile und Risiken dokumentieren und durch entsprechende Studien belegen.
Jedes Produkt ist daher für einen bestimmten Anwendungszweck getestet und zugelassen und darf nicht anders eingesetzt werden.
Was ist also Off-Label Marketing?
Off-Label-use ist in der Medizin allgegenwärtig. Ein Medikament oder Implantat wird vom Arzt verschrieben bzw. eingesetzt, ohne dass es für den konkreten Fall zugelassen ist. Typischerweise erfolgt dies durch den Einsatz bei anderen Indikationen, den Einsatz in einer anderen Dosierung bzw. den Einsatz in einer anderen Patientenpopulation.
Analog dazu bedeutet Off-Label Marketing, ein Produkt für einen Anwendungszweck zu bewerben, für den es nicht zugelassen ist. Während Off-Label-Use durchaus legitim ist und auch praktiziert wird, ist Off-Label Marketing nicht gestattet.
Ist Off-Label Marketing erlaubt?
Hier sind sich die Experten nicht ganz einig und wahrscheinlich ist das im Ernstfall eine Frage für den Richter. Fällt das Bewerben von noch nicht genehmigten Geräten unter Off-Label Marketing oder nicht? Die FDA ist da sehr klar: Ist nicht erlaubt und somit Off-Label Marketing (das Label ist eben noch nicht vergeben).
Wir Europäer sind da ein bisschen zaghafter. Während Wright, Roy und Roussanov eine sehr eindeutige Meinung haben:
As a basic consequence, if a device is not CE marked, it cannot be promoted in the EU.
wogegen Sherwin-Smith und Pritchard-Jones der Meinung sind, dass es durchaus möglich ist:
As a result, promoting a medical device immediately prior to receipt of a CE mark to announce its arrival onto the market should not offend the MDD, provided that the device is not offered for sale in Europe and it is clear that the product is not available in Europe.“
Besonders Pharmafirmen sind immer wieder im Konflikt mit diesen Vorschriften und müssen zum Teil grosse Bussen bzw. Abfindungen bezahlen, so z.B. Novartis $422.5 Millionen, Pfizer $2.3 Milliarden, Eli Lilly $1.4 Milliarden oder AstraZeneca $520 Millionen.
Um dies Strafen zu verhindern gibt es langwierige Genehmigungsprozesse für Marketing Material um sicherzustellen, dass keine falschen, gesetzeswidrigen Aussagen gemacht werden.
Langer Rede kurzer Sinn: Nein Off-Label Marketing ist nicht erlaubt, wann jedoch etwas Off-Label Marketing ist, ist leider weniger klar.
Off-Label Marketing und Social Media
Mit Social Media ist die Hürde zum Publizieren praktisch auf Null gefallen. Jeder kann mit minimalem Aufwand und wenigen Klicks Informationen, Wissen und Meinungen für ein Milliardenpublikum bereitstellen, z.B. via Blogpost, als Tweet oder in einer Statusmeldung.
Social Media lebt von der Interaktion. Eine Social Media Plattform ohne Interaktionsmöglichkeit ist ein Relikt aus vergangener Zeit, als Firmen ihre alljährlichen hochglanz PR Meldungen per Brief verschickt haben.
Während eine Firma die Kontrolle über den Inhalt hat, den sie publiziert, hat sie keine bzw. nur wenig Kontrolle über Inhalte, welche von den Benutzern erstellt werden.
Klassisches Beispiel ist ist die Firmen Facebook Seite, welche dem Eigentümer die Möglichkeit gibt, Text, Bilder und Videos zu publizieren, aber gleichzeitig den Besucher einlädt, einen Beitrag oder Kommentar zu hinterlassen. Diese Beiträge können sowohl lobend als auch kritisch sein, können Spam beinhalten oder eben auch von Off-Label-Use erzählen, was vielleicht aus Kundensicht positiv ist, aber die Firma in Konflikt mit dem Gesetz bringen kann.
Beispiele von Beiträgen auf der Facebook Seite von Zimmer:
Half MBA Done and Dusted!!! Off to Delhi for some serious work. #Summer_Internship @ Zimmer… [Vivek Singh]
Oder
Current Results and the Future of Patient Specific Instrumentation in Shoulder Replacement Surgery [Qbeeko.com]
Obwohl der Seitenbetreiber (in diesem Fall Zimmer) keinen Einfluss auf den Inhalt hat und dieser keinen Genehmigungsprozess durchläuft, erscheinen die Beiträge auf der Seite (einzige Option ist das Löschen des Beitrags, was allerdings unter Umständen einen Shitstorm zur Folge haben könnte).
Es stellt sich daher die Frage, wer die Verantwortung trägt, wenn ein Arzt über eine erfolgreiche Operation berichtet, welche jedoch unter Off-Label-Use fällt? Ist dies Off-Label-Marketing, weil der Inhalt auf der Seite unter der Verantwortung des Seitenbetreibers/Herstellers publiziert wird?
Richtlinien der Europäischen Kommission
Die Europäische Kommission gibt in der MDD 93/42/EEC lediglich spärliche grundlegende Richtlinien für die Vermarktung von Medizinischen Geräten vor. So gibt der Artikel 2 vor, dass lediglich CE markierte Geräte beworben werden dürfen und auch dann nur für den vorgesehen und genehmigten Zweck, somit wird Off-Label Marketing verboten.
Die Europäische Kommission gibt keine Anhaltspunkte, ob unabhängige Patientenzeugnisse auf z.B. einer Facebook Seite des Herstellers als Off-Label Marketing gelten.
Richtlinien der FDA
Die Richtlinien der FDA sind ein bisschen spezifischer was Off-Label Marketing und Social Media angeht unterliegen aber noch einer stetigen Wandlung. Noch im Jahr 2013 galten laut Swit einem prominenten FDA Anwalt, sog. Testimonials als sehr gefährlich. Das im vorherigen Kapitel erwähnte Beispiel wäre damals laut Swit Off-Label-Marketing gewesen und damit gesetzeswidrig.
Aktuell gibt es eine Richtlinie, welche sich bezüglich Off-Label-Marketing im Social Media Umfeld äussert (ist erst als Draft vorhanden). Diese Richtlinie sagt folgendes aus:
Firms are generally not responsible for third-party UGC2 about their products when the UGC is truly independent of the firm (e.g., is not produced by, or on behalf of, or prompted by the firm in any particular) regardless of whether the firm owns or operates the platform on which the communication appears.
Dazu wird genauer spezifiziert, was eine third-party ist und was nicht:
A firm is thus responsible for communications on the Internet and Internet-based platforms, such as social media, made by its employees or any agents acting on behalf of the firm to promote the firm’s product, and these communications must comply with any applicable regulatory requirements. … Additionally, if a firm writes, collaborates on, or exerts control or influence on product-specific content provided by a third party, to the extent that responsibility for the development of the content is imputable to the firm, the recommendations set forth in this guidance do not apply.
Falls unter diesen Umständen Off-Label Aussagen durch UGC erstellt werden, begrüsst (erzwingt jedoch nicht) die FDA eine entsprechende Richtigstellung und gibt Richtlinien heraus, wie dies getan werden muss.
Die FDA anerkennt allerdings auch, dass es unter Umständen nicht möglich ist, alle falschen Aussagen richtigzustellen (z.B. in einem grossen Forum), legt jedoch Wert darauf, die getätigten Richtigstellungen klar abzugrenzen und als solches hervorzuheben.
Fazit
In Europa ist mal wieder der Föderalismus am Werkeln oder die Silberrücken in Brüssel habe noch nicht begriffen, dass das Internet nicht an der Landesgrenze stoppt und im Alltag eingezogen ist.
Da die Rechtslage unklar ist, lohnt es sich einen Sachverständigen zu Rate zu sehen, sollte eine Social Media Kampagne in Europa gestartet werden.
Eine Super Quelle, welche allerdings nicht alle Fragen klärt: Understanding the Promotion of Medical Devices in the European Union