Jede Privatperson kann auf Facebook alles teilen, sagen, posten und kommentieren. Hochintelligente, tiefgründige und herzbewegende Posts aber im gleichen Atemzug auch den grösste Schrott.
Als Firma sieht es schon ein bisschen anders aus. Facebook und Co. ist eines der digitalen Aushängeschilder im Netz und ein falscher Beitrag geht nur allzuschnell hinten raus. Dann ist vor allem mal der Ruf gefährdet und potentiell damit verbunden auch ein Umsatzeinbruch. Vorsicht ist also durchaus nicht fehl am Platz.
Social Media in regulierten Branchen
Noch kritischer wird es bei Firmen in regulierten Branchen. Dazu gehört z.B. die Pharmaindustrie, die MedTech Industrie und auch die Banken. Hirnlose Posts sind ein Tabuthema und können im Extremfall den Konflikt mit dem Gesetzt mit weitreichenden Konsequenzen zur Folge haben (hohe Geldstrafen oder Sanktionen).
Schnellschüsse sind daher undenkbar und werden durch komplizierte interne Prozesse verhindert, welche mitunter eine scheinbar unüberwindbare Hürde für den Einsatz von Social Media darstellt.
Im folgenden schaue ich mal die MedTech Branche an, da hier erschwerend dazu kommt, dass es sich hauptsächlich um einen B2B Markt handelt.
Die Top 3 Hindernisse sind
Da hätten wir mal auf dem Platz 1 Off-Label Marketing, das Schreckgespenst schlechthin. Als Facebook die Kommentarfunktion für Pharmafirmen zur Pflicht machte, führte dies zu einer Schliessung diverser Facebook Pages, weil diese befürchteten durch Useraussagen in den Kommentaren Off-Label-Marketing zu betreiben.
Auf Platz 2 sind die Auflagen zu Werbung, welche unter anderem besagt, dass Werbung Fair und ausgeglichen sein muss. Behauptungen aus dem Blauen sind nicht möglich bzw. müssen wissenschaftlich belegt werden können.
Und auf Platz 3 wäre noch das Beschwerdehandling. Wenn sich ein Benutzer in einem Kommentar über ein Produkt beschwert, bzw. auf Mängel hinweist, muss dies zwingend die Prozesse fürs Beschwerdemanagement durchlaufen. Beschwerden fallen daher viel schneller aus, weil man bereits mit einem Post etwas «bewirken» kann… oder wer nimmt schon gern das Telefon in die Hand oder schreibt einen Brief, wenns mit einem kurzen Tweet bereits funktioniert.
Ein Social Media Kanal kostet Geld
Jeder Social Media Kanal will betreut werden. Jeder Social Media Kanal kostet daher Geld. In vielen Fällen kann der Kundenservice diese Rolle übernehmen, bzw. ein Community Manager, doch wie sieht es in regulierten Branchen aus?
- Der Community Manager muss Produktewissen haben, um beurteilen zu können, ob eine Aussage unter Off-Label-Use fällt oder nicht.
- Es müssen Prozesse vorhanden sein, um sicherstellen zu können, dass keine «falsche» Werbung publiziert wird. Prozesse sind in diesem Fall mit sehr viel Menschenpower ausgestattet.
- Inhalt muss qualitativ hochwertig und mit den aktuellen Gesetzen konform sein. Legal möchte den Inhalt vorher sehen.
- Es muss ein Prozess vorhanden sein, um Beschwerden zu erkennen und rauszufiltern und an die internen Prozesse weiterleiten zu können.
- Der Community Manager muss täglich da sein. Eine One-Man Show ist daher undenkbar, ausser dieser geht nie in die Ferien und ist nie krank
Fazit davon: Es braucht eine stattliche Anzahl an Ressourcen und kostet daher Geld.
Und lohnt sich das überhaupt noch?
Das ist die Frage, welche sich schlussendlich jeder Kanal- bzw. Seitenbetreiber stellen muss. Den Twitter Account an alle Mitarbeiter zu geben, um dadurch Kosten zu sparen und Social Media zu einem authentischen Selbstläufer zu machen, kommt nicht in Frage.
Schauen wir mal diese Grafik an, welche vor ein paar Wochen durch die Sozialen Medien gereicht wurde.
Die «Fans» rennen den MedTech Firmen nicht die Social Media Bude ein. Mögliche Gründe dafür könnten sein:
- Der 0815 Facebook Benutzer interessiert sich nicht dafür, da sein IQ zu niedrig ist, als dass er Texte lesen könnte. Aufgrund der hohen gesetzlichen Anforderungen können keine «billigen» Kampagnen gemacht werden.
- Und falls der IQ hoch genug ist, dann fehlt schlicht das Interesse
- Ärzte sind nicht auf Facebook?
- Schlechter, nicht authentischer Inhalt
Berechtigterweise stellt sich daher die Frage: Können die paar Nasenfans die Aufwände rechtfertigen, welche gezwungenermassen betrieben werden müssen, um einen Kanal seriös zu betreiben?
Schauen wir noch ein bisschen tiefer.
MedTech Firmen sind Kontrollfreaks
Wenn wir die klassischen Medien mit sozialen Medien vergleichen fallen folgende Unterschiede auf.
Klassische Medien sind kontrollierbar und verbreiten sich linear. Sie sind statisch und unflexibel. Der beste Freund von Legal und Compliance Leuten. Der Inhalt wird geschrieben und im entsprechenden Kontext (mittels komplexem Freigabeprozess) genehmigt. Lieblingsmedium ist das PDF, da hier der Inhalt nicht mehr einfach so angepasst werden kann.
Dem gegenüber die Sozialen Medien: Höchst dynamisch, schnelllebig und unvorhersehbar. Der Kontext ist komplett unkontrollierbar und nicht vorhersehbar. Ein Tweet mit den neusten Gesundheitstipp kommt beim Benutzer A nach einem Tweet mit religiösem Hintergrund und beim User B hinter einem Tweet der Konkurrenz.
Noch schlimmer: Jemand könnte es wagen, in unserem Hoheitsgebiet (z.B. Facebookpage) Inhalt zu schreiben! Die Kontrolle ist endgültig verloren: Irgend jemand, kann irgend etwas irgendwann schreiben und die einzige Lösung ist zu löschen oder zu berichtigen.
In die Tonne mit den ganzen Genehmigungsprozessen. Es reicht auch nicht, wenn ein Inhalt über ein aktuelles Ereignis zuerst 3 Wochen begutachtet wird, bis ein Legalheini sein Ok dazu gibt, denn dann kann er gleich auf den Datenfriedhof damit.
Um Social Media sinnvoll betreiben zu können muss dem Rechnung getragen werden um die Kosten nicht explodieren zu lassen. Jeder muss einsehen, dass wir uns in einem neuen Zeitalter befinden. Wir befinden uns im nicht linearen Kommunikationszeitalter.
Ein Wandel muss stattfinden
Um auf die Frage zu kommen «Lässt sich Social Media in regulierten Branchen sinnvoll einsetzen?». Wahrscheinlich. Aber dafür muss ein Wandel stattfinden:
- Eine seriöse Risikoanalyse im Kontext einer nicht linearen Kommunikationsgesellschaft.
- Optimierung der Prozesse unter Berücksichtigung der Risikoanalyse
- Den Kunden in den Vordergrund stellen und nicht das Produkt und dadurch einen echten Mehrwert schaffen. Produktdaten bieten viel höheres Potential für mögliche Konflikte mit dem Gesetz.
Ich glaube, um Social Media in regulierten Branchen (im speziellen MedTech) sinnvoll einsetzen zu können müssen die Produkte komplett in den Hintergrund verschwinden. Vielmehr muss es dazu eingesetzt werden, um nützliche Tipps und Insights zu liefern, um in Kontakt mit Kunden zu treten und Trends und Wünsche aufzunehmen.
Es darf nicht ein klassischer Produktewerbekanal sein (denn dazu sind die Auflagen viel zu hoch, als dass dies erfolgreich gemacht werden könnte) sondern muss vielmehr eine Begegnungszone sein.
Eine digitale Lobby, wo sich die Szene trifft, ein Ort, wo aktuelle Themen aus der Branche thematisiert werden.
Nochmals: «Lässt sich Social Media in regulierten Branchen sinnvoll einsetzen?» Wahrscheinlich, aber einfach ist es sicher nicht.