Schlagwort: Digitalisierung

  • Der Produktionsadvisor – Ein kleines Stück Digitalisierung

    Als Co-Founder der RapNika GmbH produzieren wir Bienenwachstücher. Ein totales Low-Tech Produkt. Es werden physische Güter produziert und verschickt. Das Deployment und Packiging gibt es auch irgendwie, aber sieht ziemlich anders aus.

    Logistik und Produktion ist für mich Software Entwickler bisher inexistent gewesen. So etwas gab es bisher nicht. Daher habe ich mich bisher nicht darum gekümmert. Das hat sich aber jetzt geändert.

    Aktuell haben wir rund 30 verschiedene Produkte, welche wir herstellen und verkaufen und es stellte sicher sehr bald die Frage, wie man die Produktion schlau steuert:

    • Das Lager soll nicht zu gross sein
    • Dennoch soll alles immer an Lager sein

    Als Kleinstfirma haben wir kein ERP System, welches solche Funktionen beinhalten würde.

    Der Ist-Prozess, zur Bestimmung der Aufträge

    1x wöchentlich den Lagerbestand der Produkte anschauen und sich dann für irgendwelche Produkte festlegen. Es ist mehr ein Bauchgefühl. Das ist nicht per se schlecht, aber braucht immer viel hin und her und schlussendlich ist es dann doch eine andere Zahl.

    Ein einfaches kleines Programm soll dabei helfen, diesen Schritt zu automatisieren. Jedes Produkt muss (manuell) mit den folgenden Angaben angereichert werden:

    • Threshhold
    • Produktionsmenge
    • Kann produziert werden

    Threshhold: Dieser gibt an, ab wann ein Produkt nachproduziert werden soll. Dieser ist natürlich von Produkt zu Produkt verschieden. Wenn der Produktionszyklus eine Woche dauert, müsste der Threshhold so hoch sein, wie in einer Woche verkauft wird.

    Produktionsmenge: Wieviel sollen pro Mal produziert werden. Auch diese Zahl hängt davon ab, wie gut das jeweilige Produkt verkauft wird.

    Kann produziert werden (True|False): Wir haben immer wieder Produkte, wo der Stoff ausgelaufen ist. Diese sollen nicht mehr im Report erscheinen, da sie nicht mehr nachproduziert werden können. Zudem geben die eine Meldung aus, um sicherzustellen, dass diese auch aus dem Shop entfernt werden, wenn sie ausverkauft sind.

    In einem ersten Schritt wird der Produktionsadvisor manuell mit den Zahlen gefüttert. Für einen zukünftigen Schritt, liessen sich diese Zahlen jedoch durchaus auch aus vergangenen Verkaufszahlen herleiten. Z.B. der «Durchsatz» für 4 Wochen. Oder natürlich noch viel genauer mit irgend einem Machine Learning Algorithmus… Zukunftsmusik und übersteigt wahrscheinlich meine Fähigkeiten. 

    Falls jemand eine Software (nicht SAP) kennt, welche so etwas macht, dann würde es mich natürlich interessieren. 

  • Digitalisierung bei der Post – Doch nicht so einfach?

    Digitalisierung bei der Post – Doch nicht so einfach?

    Eine simple Aufgabe: Eine Kreditekarte bestellen. Bei der Schweizerischen Post, entpuppt sich dies allerdings als Mammutaufgabe. Hier die Kurzfassung:

    Ich klicke mich brav durch die vielen Formulare. Banken Zeugs halt. Nach einigen Seiten der erlösende Knopf «abschicken». Wenige Minuten später trudelt auch schon die Bestellbestätigung mit einer Bestellnummer ein. Mission erledigt. Ein paar Tage später kommt die erste Post nach Hause. Konto ist eröffnet, fehlt nur noch die Kreditkarte. Sicherheit geht vor. Die Briefe werden immer gestaffelt verschickt. Die Tage verstreichen, es geht in die Wochen.

    Erste E-Mail an den Support:

    «Liebe Postfinance, ich habe eine Kreditkarte bestellt, aber seither nie mehr etwas diesbezüglich gehört.» (Bestellnummer habe ich leider nicht erwähnt, da ich vergessen hatte, dass es die gab.)

    Antwort

    «Lieber Herr Schär, bla bla bla ist nichts im System, angehängt die Anmeldeformulare als PDF zum Ausdrucken und Ausfüllen.»

    Really? Hallo! Ich möchte das online erledigen.

    Versuchen wir es mal per Telefon. Die Warteschlange ist erstaunlich kurz, immerhin. Eine ältere Frau meldet sich freundlich. Ich schildere mein Anliegen. Nach ein paar Sicherheitsfragen forscht sie durch das Systeme (eher die Systeme): «Nein, da gibt es keinen Antrag für eine Kreditkarte unter ihrem Konto.»

    Wirklich! Entweder habe ich geträumt oder etwas ist faul an der Sache.

    Die gute Frau versichert mir jedoch, dass sie mir die Formulare per Post schicken könnte, mit A-Post dann wären sie übermorgen da (war bereits Abend als ich telefoniert habe). Und sowieso, sie müssten die Bonität von Hand prüfen und so haben sie es die letzten Jahren immer gemacht. Bitte und Tschüss. Was ist mit der Digitalisierung los?

    Es lässt mich nicht los. Ich durchforste mein Inbox. Da ist die Bestellbestätigung: 1x Kreditkarte, Bestellnummer xxxxxxx.

    Ich logge mich ins neu eröffnete eBanking, um noch einmal einen Versuch zu machen. Persönliche Daten sind bereits alle hinterlegt und verifiziert und dennoch muss ich an einer Stelle nochmals meine Adresse eingeben… riecht förmlich nach Medienbrüchen und nicht integrierten Legacy Systemen.

    Name, Strasse, Hausnummer, PLZ und Wohnort und «weiter».

    Anstatt auf die nächste Seite zu gehen poppt eine rote Warnung auf:

    «Die folgenden Felder müssen ausgefüllt werden: Land»

    Land, Land, wo ist das Feld Land? Da gibt es kein Feld Land. Egal wie oft ich auf den Weiter Knopf klicke: Das imaginäre Land ist ein Pflichtfeld: Mission Impossible. Auch im Quellcode gibt es kein Land.

    post-land

    Wieder ans Telefon. Wieder eine ältere Dame. Ich frage sie nochmals nach meiner Kreditkarte, diesmal sogar mit Bestellnummer. Nein, da gibt es keine Kreditkartenbestellung. Hallo!!!!!

    Ich murmle etwas von beängstigend und nicht gerade vertrauenerweckend. Wenn nur mein Geld nicht einfach plötzlich verschwindet und wenn ich schon daran bin erkläre ich der guten Frau auch noch vom ominösen Land. Freundlich erkläre ich ihr, dass die Tester da wohl nicht sehr gründlich hingeschaut haben. Ich erwähne noch die Digitalisierung und dass das doch die Zukunft auch für die Post ist, aber bezweifle, dass sie davon etwas mitbekommen hat. Pflichbewusst nimmt sie mein Anliegen auf, um es an den Papierkorb ähm Entwickler zu leiten. Mehr Aufregung lohnt sich nicht.

    Immerhin auch sie möchte mir noch ein Formular zuschicken. Ich lehne dankend ab. Ich möchte ohne Papier auskommen und wenn schon, dann ist es hoffentlich bereits unterwegs!

    Probleme

    Eine bessere Geschichte bezüglich der Tücken der Digitalisierung könnte es nicht geben. Die Probleme sind sehr vielschichtig:

    1. Komplexe Systemlandschaften
    2. Veraltete Testkonzepte
    3. Veraltete Prozesse
    4. Nicht qualifiziertes Personal

    1. Komplexe Systemlandschaften

    Da gibt es zig Systeme, unterschiedliche Technologien alle über irgendwelche möglichen und unmöglichen Schnittstellen verhängt. Eine einzelne Person hat kaum den Überblick sondern viele Personen haben Teilwissen. Wenn neue Services angeboten werden sollen, müssen diese irgendwie berücksichtigt und integriert werden. Das schreit förmlich nach Fehlern, bzw. stellt hohe Anforderungen ans Testingteam.

    2. Veraltete Testkonzepte

    Hunderte von Testscripts, welche manuell ausgeführt werden müssen. Eigentlich sollte man annehmen, dass Automatisierung besonders im Bereicht Testing weit fortgeschritten ist. Leider nicht. Die Softwareentwicklung dürstet zwar nach agilen Methodiken und tut dies auch, wird jedoch meistens von Finanzprozessen in Ketten gelegt, so dass schlussendlich eine Pseudoagile Wasserfallmethodik herauskommt, welche schlussendlich die normalen Phasen durchläuft. Eine davon (die Letzte wahrscheinlich) ist Testing); continues integration lässt grüssen.

    3. Veraltete Prozesse

    A fool with a tool is still a fool. Das Tool verbesserte die Prozesse nicht. Lediglich die gleichen alten Formulare zu digitalisieren und in einem Browser anzuzeigen reicht nicht aus. Ein aktives PDF würde in dem Fall auch reichen. Digitalisierung bedeutet neue Prozesse zu gestalten: neue und effiziente Prozesse, anstatt die alten zu renovieren. Schlanke und einfache Prozesse sind dann auch der Grundstein für eine erfolgreiche Automatisierung.

    4. Nicht qualifiziertes Personal

    Sie waren immerhin freundlich, aber der Reaktion aller drei konnte ich entnehmen, dass sie noch in der Papier und Tintenwelt leben. Viel spannender wäre es gewesen, wenn sie sich via Remote Desktop bei mir auf den Bildschirm verbunden hätte und wir das Problem direkt zusammen online gelöst hätten, so dass ich den Antrag hier und jetzt abschicken könnte. Hier liegt wahrscheinlich auch das grösste Problem: Die Leute zum umdenken zu bringen und nicht ständig ihren alten Job in Gefahr zu sehen. Es werden Jobs verschwinden, aber genauso werden neue Jobs geschaffen. Anstatt an alten Jobs festzuklammern, lieber offen sein für neues, ständig lernen und sich weiterbilden.

    Die Herausforderung sind die Menschen

    Die Digitalisierung von Geschäften erfordert ein totales Umdenken aller beteiligten. Es sind nicht nur die Entwickler, welche neue und bessere Tools programmieren müssen, sondern alle vom CEO über die Hotline bis hin zum Tester gefragt. Es sind neue Geschäftsmodelle gefragt, neue Strategien, bessere und einfachere Prozesse und vor allem robuste und flexible Software.

    Mein Formular ist unterdessen angekommen, ich habe es brav ausgefüllt. Auch den online Antrag hätte ich per Post zur Unterschrift nach hause geschickt bekommen. Ob das jetzt geklappt hat weiss ich allerdings noch nicht.

    Mein Tweet an die Post hingegen blieb unbeantwortet.